Gegründet wurde die Theatergruppe Vogelfrei im Wintersemester 2006/07 mit dem Ziel, nach mehrjähriger Abstinenz endlich wieder eine Theatergruppe am Germanistischen Seminar zu etablieren. Bei uns spielen und wirken etwa zwanzig Studierende nicht nur aus der Germanistik sondern aus allen möglichen Bereichen wie beispielsweise Geschichte, Biologie, Theologie, Chemie, Philosophie, Kunstgeschichte, Anglistik, Politikwissenschaften und weiteren Fachrichtungen sowie aus so ziemlich jedem Semester.
Mit insgesamt dreizehn Aufführungen seit der Gründung hat Vogelfrei eine durchschnittliche »Studentenlebenszeit« inzwischen lange überschritten. Wir sind für eine Theatergruppe, zumal eine studentische, mit im Mittel 20 bis 25 Mitwirkenden pro Jahr schon fast außergewöhnlich groß. In solch einer großen Gruppe sind Wechsel und Veränderung ein steter Begleiter. Zum Glück hatten wir bisher keine Probleme engagierte Menschen zu finden, die jedes Jahr dafür sorgen, dass im Garten des germanistischen Seminars in der Karlstraße 2 in wunderbarer Freilichtatmosphäre direkt unterhalb des Schlosses Theater gespielt und genossen wird.
Los ging es im Sommer 2007 mit der frühneuhochdeutschen Komödie »Cornelius Relegatus« von Johannes Sommer. Gesellschaftskritisch wurde es 2008 mit dem »Reigen« von Arthur Schnitzler.
2009 nahmen wir uns Friedrich Dürrenmatts »Romulus der Große« vor. 2010 haben wir Grabbes Lustspiel »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung« aus dem Jahre 1822 bearbeitet, modernisiert und aufgepeppt. 2011 haben wir uns nach dem großen Erfolg 2007 und vor dem Hintergrund des Uni-Jubiläums entschlossen, »Cornelius Relegatus« ein weiteres Mal aufzuführen, allerdings mit gründlich überarbeitetem Text, sowie neuen Ideen und Interpretationen. 2012 wiederum kehrten wir mit Arthur Schnitzlers großartigem Einakterzyklus »Anatol« in die Moderne zurück.
Und hier fühlten wir uns so wohl, dass wir uns im Sommer 2013 zeitlich zwar nur ein paar Jahre weiter vor wagten, dafür betraten wir mit Kästners »Schule der Diktatoren« thematisch Neuland: Wenngleich von Kästner selbst als Komödie bezeichnet, ist das Stück ohne Zweifel in vielerlei Hinsicht politisch und stellenweise im wahrsten Sinne des Wortes todernst. Und doch kommen die typische Kästnersche Ironie und das Augenzwinkern nicht zu kurz, woraus sich eine spannende Mischung ergab. Mit hintergründigem Witz und einer ordentlichen Portion »romantischer Ironie« wartete im Sommer 2014 Ludwig von Tiecks Komödie »Der gestiefelte Kater« auf. In diesem gesellschafts- und theaterkritischen Stück, das die verklärten Illusionen der herkömmlichen Dramaturgie aufs Korn nimmt, verbarg sich ein ganz spezieller Kunstgriff: Ein Stück im Stück. Nicht nur die Schauspieler auf der Bühne, sondern auch das Publikum spielte verrückt. Seit langem in Planung, aber erst 2015 zur Vollendung gebracht wurde unsere Bearbeitung der »Pagenstreiche« August von Kotzebues. In diesem possenhaften Schwank aus dem Jahre 1804 verschmelzen herzergreifende Verwirrungen und listige Schelmereien zu einem heiteren Theatervergnügen.
Im Sommer 2016 wurde die Wiener Zauberposse »Die gefesselte Phantasie« von Ferdinand Raimund (1828) in Heidelberg und auf Schloss Fürstenau aufgeführt. Seit diesem Jahr durfte Vogelfrei jedes Jahr auf Schloss Fürstenau in Michelstadt ein Gastspiel geben. Im Sommer 2017 wurde die im Jahr 1848 spielende und zu dieser Zeit entstandene bissige Posse »Freiheit in Krähwinkel« des Wiener Dramatikers Johann Nestroy auf die Bühne gebracht. 2018 hat sich die Gruppe an das Stück »Rund um den Kongress« (1929) von Ödön von Horváth gewagt, welches auf absurd-komische Art Kritik an der Gesellschaft ausübt. Mit »Professor Bernhardi« (1912) wurde 2019 zum dritten Mal ein Stück Artur Schnitzlers von Vogelfrei auf die Bühne gebracht. Schnitzler bearbeitet hier kontrovers moralische Grundsatzfragen, politischen Opportunismus und den auflebenden Antisemitismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
In den Jahren 2020 und 2021 konnten infolge der Pandemie und der diesbezüglichen Bestimmungen der Universität keine Theaterproduktionen realisiert werden. 2022 präsentierte Vogelfrei die von Carl Sternheim im Kriegsjahr 1915 verfasste politisch ausgerichtete Komödie »Der Kandidat« (einer freien Übersetzung des französischen Stücks «Le Candidat» von Gustave Flaubert). 2023 kam ein bekannteres Stück zur Aufführung: Die unterhaltsame, am 14. Juli 1789 in Paris spielende Groteske »Der grüne Kakadu« von Arthur Schnitzler. Mit dem Stück »Ein Dorf ohne Männer« bleibt die Gruppe auch im Jahr 2024 den Wiener Lustspielen treu, die sie schon oft auf die Bühne gebracht hat.